Zu unserem Arbeitsalltag als Knoten gehört neben Coaching, Beratung und Veränderungsprozessbegleitung auch das Moderieren. Die Rollen, die wir dabei einnehmen sind die einer Wegweiser*in. Konkret bedeutet das, dass wir uns im Vorfeld intensiv mit der Ausgestaltung des Termins und der dafür passenden Methodik beschäftigen. Während des Meetings nehmen wir nicht aktiv an den Diskussionen Teil oder bringen maßgeblich den fachlichen Inhalt in die Gesprächsrunden ein, sondern begleiten die Gruppe durch den Termin, geben Energie in den Raum und agieren als Rahmengeber*innen. Es ist allerdings nicht damit getan am Tag der Moderation präsent zu sein. Ein wichtiger Aspekt ist es ebenfalls eine vertraute und produktive Arbeitsatmosphäre herzustellen, sprich die Psychologische Sicherheit (Psychological Safety) zu ermöglichen.
In der aktuellen Zeit der Remote-Arbeit beobachten wir viele Menschen im Kundensystem, die sich mit genau dieser Rolle unsicherer fühlen als noch vor einem Jahr. Durch die zahlreichen Erfahrungen, die wir als Prozessbegleiter*innen und auch als Teilnehmende in offline und online Meetings gemacht haben, eigneten wir uns einen großen Wissensschatz an, aus dem ich jetzt 10 Schmankerl mit dir teilen möchte.
1. Bist du gut vorbereitet?
Lasst uns erstmal leicht starten und eine alte Bekannte aus einer anderen Perspektive neu anblicken. „Die Vorbereitung ist das A und O einer guten Moderation.“ Für manche bedeutet es, dass sie eine Agenda vorbereiten und festgelegte Zeitabschnitte bestimmten Themen zuweisen, durch die sie dann die Teilnehmenden moderierend geleiten. Für andere kann es bedeuten, die erste Übung vorzubereiten und sich dann im Verlauf des Termins spontan daran zu orientieren, was die Gruppe gerade braucht und die folgenden Punkte danach auszurichten. Heutzutage ist die Bedeutung der Vorbereitung noch etwas gewachsen, da wir uns außerdem Gedanken darüber machen müssen, welche technischen Hilfsmittel wir verwenden möchten und wie wir allen Teilnehmenden den Zugang zu diesen garantieren können. Mein Kollege Vincent hat unteranderem dazu schon einen Blogbeitrag geschrieben.
Wo verortest du dich auf der Skala zwischen „ich habe alles detailliert vorausgeplant“ und „go with the flow“? Wie viel Vorbereitung brauchst du für dich, um sicher auftreten zu können? Wie viel Vorbereitung braucht die Gruppe, um die Balance zwischen Orientierung und Freiheit gewährleistet zu bekommen? Ganz egal wie deine Antworten ausfallen, es gibt einen essentiellen Schritt der Vorbereitung: die Auftragsklärung. Werde dir deiner Aufgabe und den Vorstellungen der Auftraggeber*in bewusst und stelle Fragen wie: „Was ist nach dem moderierten Workshop anders?“
2. Interessierst du dich für die Erwartungshaltungen?
Wir arbeiten mit Menschen. Menschen haben Gefühle. Und sie haben Erwartungen. Interessierst du dich dafür? Willst du sie berücksichtigen und erfüllen? Oder möchtest du sie überraschen? Eine Antwort auf diese Fragen zu haben hilft, da sich der Verlauf und die Gruppenstruktur des Meetings danach ausrichten. Eine Möglichkeit ist es, die Erwartungen zu Beginn des Workshops aufzunehmen. Manche davon kann man erfüllen. Allen kann man es sehr selten recht machen. Sei dir daher bewusst, dass es ein psychologisches Phänomen ist, zu erwarten, dass die eigenen Erwartungen auch erfüllt werden, wenn sie initial durch Moderator*innen abgefragt wurden. Natürlich kann man diesen auch mit einem geschickten Erwartungsmanagement entgegentreten, indem man auf die nötige Mitarbeit anstatt einer Konsumentenhaltung hinweist. Gleichzeitig musst du dir diesem Elefanten im Raum bewusst sein. Also, was ist deine Absicht?
3. Group forming first – eine Übung
Um einen sicheren Raum für alle Teilnehmenden zu schaffen, also die besagte Psychological Safety herzustellen, bietet es sich an die Gruppe darin zu unterstützen, sich auf einer persönlicheren Ebene zu begegnen. Das kann bekanntermaßen durch eine Check-in-Frage ausgelöst werden. Ich möchte dir hier eine andere Methode vorstellen, die es erlaubt im Remote Meeting Nähe und Vertrauen herzustellen.
- Alle schalten ihre Kamera und ihr Mikrofon aus.
- Eine erste freiwillige Person schalten beides wieder an und ordnet sich einer beliebigen gesellschaftlichen Gruppe zu, z.B. „Ich bin Frühaufsteher.“, „Ich habe sehr schlecht geschlafen letzte Nacht“, „Ich kämpfe gerade mit Motivationsproblemen.“
- Alle anderen Personen, die sich dieser Gruppe ebenfalls zugehörig fühlen, schalten ihre Kamera an.
- Alle schalten ihre Kamera wieder aus.
- Die nächste Person findet sich und stellt eine Gruppe vor.
- …..
Die Teilnehmenden werden sich zum einen viel besser kennenlernen und zum anderen eine vertraute Basis aufbauen, da sie wissen, sie sind nicht allein und teilen mit anderen Menschen in diesem Telefonat auch gemeinsame Werte, Erfahrungen oder Ideen. Am Anfang mag es einige Sekunden dauern, bis sich die ersten Personen finden, in der Regel wird es spätestens nach der dritten Runde ein Selbstläufer. Das Schöne daran, es klappt mit 100 Leuten genauso wie mit sechs. Wir haben es schon geprobt.
4. Wie willst du mit Machtverhältnissen umgehen?
Sie sind überall. In jeder noch so kleinen Gruppe findet man auf verschiedenen Ebenen Machtverhältnisse. Die Daseins-Berechtigung dieser mag sehr fragwürdig sein an der ein oder anderen Stelle, doch das Auflösen aller sollte nicht dein Anspruch sein, denn dafür braucht es viel mehr als nur eine einzige Moderation. Wichtiger ist es einen Weg mit allen Teilnehmenden zu finden, mit diesen umzugehen. Welche Machtverhältnisse seht ihr hier in eurer Runde? Identifiziert sie. Wie wollt ihr damit umgehen? Legt Spielregeln fest. Kann jeder mit diesen Rahmenbedingungen gut arbeiten? Manchmal kann es sogar dienlich sein, die vorhandenen Machtstrukturen zu nutzen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Beispielsweise kann eine Führungskraft als Vorreiter den ersten Schritt gehen und so die Mitarbeiter*innen motivieren, dies ebenfalls zu tun. Kreiert einen sicheren (remote) Raum. Sei dir auch hier wieder bewusst, dass du deine außenstehende Rolle beibehältst. Wenn man Macht anspricht, verschwindet sie.
5. Du bestimmst den Takt
Du bist der Spiegel der Gruppe, je nachdem welche Stimmung und Atmosphäre du schaffst, danach wird sich die Energie aufbauen. Entspann dich. Versuche ruhig und gelassen zu sprechen. Pausen sind willkommen und helfen deinen Zuhörenden dir zu folgen und das Gesagte für sich einzuordnen. Der Fokus liegt auf dir und an deinem Takt werden sich die anderen orientieren. Du hast die Möglichkeit, Ruhe oder Energie in die Gruppe einzubringen, nutze diese Fähigkeit bewusst und weise. Auch dazu gibt es noch mehr Informationen hier: „How to talk“.
6. Alle machen mit
Oft ist es eine große Herausforderung, alle Teilnehmenden einzubinden, doch es lohnt sich, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Jede*r kann einen wertvollen Beitrag leisten. Wir als Moderator*innen müssen es nur schaffen, diese Personen aus ihren Komfortzonen heraus zu locken. Die große Kunst ist es, dadurch keinen Zwang entstehen zu lassen. Es ist ja auch in Ordnung, wenn sich nicht alle auf jedes Thema bis ins kleinste Detail einlassen. Die Teilnehmenden sollen ja nur die Freiheit fühlen, sich aussprechen zu dürfen.
Methoden wie Kreisarbeit oder das Aussprechen von Einladungen können hier die Lösung des Problems sein. Adressiere sie an alle und räume den introvertierteren Menschen den nötigen Raum ein, sich auch zu Wort zu melden, ohne anderen dafür ins Wort fallen zu müssen. Vor allem in Videotelefonaten steigt die Unsicherheit bei vielen Menschen, da es sehr leicht und verlockend ist, sich selbst abzuducken. Wiederhole deine Einladungen. Es kann nie oft genug gesagt sein, um ins Tun zu kommen.
Wer etwas unterschwelliger die Ideen aller Beteiligten einfangen möchte, kann dies mithilfe von Post-Ist gestalten. Dies funktioniert mit digitalen genauso gut, wie mit Papier-Notizzetteln. Alle können so ihre Gedanken aufschreiben und der Gruppe zur Verfügung stellen.
7. Irritation gezielt einsetzen
Du kannst eine Diskussion initiieren oder am Laufen halten, Menschen auf ein bestimmtes Thema aufmerksam machen oder sie zum Nachdenken anregen, indem du sie irritierst. Durch eine gezielte Irritation werden Personen aus ihrem gewohnten Umfeld und Handlungsweisen herausgerissen, müssen sich deshalb neu orientieren und verinnerlichen als Folge dessen bestimmte Sachverhalte besser. Hervorrufen kannst du einen solchen Zustand auf verschiedenen Wegen, z.B. durch die Stilmittel Provokation oder Überspitzung, durch eine ungewohnte Aufgabenstellung oder durch eine neuartige Herangehensweise an ein Problem. Welche Stilmittel nutzt du normalerweise? Erzielen sie die gewünschte Wirkung? Kannst du dich an deine letzte Irritation erinnern?
8. Leite Fragen um
Gelegentlich verschwimmt deine Rolle der Moderator*in und resultiert in an dich gerichtete Fragen, die den organisatorischen Themenbereich verlassen. Um nicht Entscheidungen für die Gruppe zu treffen, kannst du die Fragestellungen direkt umleiten und zurück in die Teilnehmendenrunde geben. Wiederhole die Frage dafür gut hörbar für alle und adressiere sie an die restlichen Menschen. So stellst du sicher, dass sich niemand der eigenen Verantwortung entzieht.
9. Ich fand es gut.
Wir können nur wachsen, wenn wir uns dafür öffnen Reibung auszuhalten und Hilfe anzunehmen. Feedback ist daher enorm wichtig, um eigene Fähigkeiten zu verbessern. Fürchte dich nicht vor negativer Kritik, insgeheim ist sie deine beste Freundin. Wir haben auch zu diesem Thema noch ein paar Gedanken verfasst, falls du mehr erfahren möchtest, kannst du hier nachlesen. In Zeiten des digitalen Arbeitsplatzes geht die Körpersprache und damit einhergehend auch direktes zwischenmenschliches Feedback meist etwas verloren. Um es dennoch zu integrieren, kannst du Icons, wie Daumen nach oben und Applaus, einbinden oder farbige Karten nutzen um direkte Stimmungsbilder der Teilnehmer*innen einzufangen.
10. Diskussionen unterbrechen
Eine große Herausforderung ist außerdem das Zeitmanagement. Versuche den Fokus aufrecht zu halten und hinterfrage dich und die Gruppe stets, ob die Beiträge zur Diskussion gerade geteilt werden, um ernsthafte Bedenken aus dem Weg zu schaffen oder einfach nur die Diskussion aufrechterhalten sollen. Es gibt viele Menschen, die Spaß am Debattieren haben und sich deshalb leicht in Details verlieren. Scheue dich daher nicht davor, auch mal die Frage in den Raum zu stellen, ob es denn noch grundlegende Gegenmeinungen gibt oder noch dringend Dinge gesagt werden müssen. So werden alle brennenden Gedanken geteilt und ihr verliert nicht zu viel Zeit. Damit kommst du auch allen Teilnehmer*innen entgegen, die besonders effizient arbeiten möchten und deren Akzeptanzgrenze schnell erreicht wird.
Brauchst du noch Hilfe bei einer konkreten Fragestellung? Hast du Fragen oder Anregungen? Wir freuen uns auf deine Erfahrungen und einen Austausch mit dir! Schreibe uns gerne eine E‑Mail an kontakt@netzwerkknoten.com