Eine relevante, fast tägliche Aufgabe für selbstorganisierte Teams ist es, Entscheidungen herbeizuführen. In unserer mehrteiligen Blogserie beleuchten wir verschiedene Wege, wie Teams ihre Projekte zielgerichtet navigieren können.
Nachdem wir bereits vor einigen Wochen den Mehrheitsbeschluss unter die Lupe genommen haben, möchten wir uns heute im Teil 2 einer eher unbekannten Methode nähern: Dem Systemischen Konsensieren.
Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir vergessen haben — und was wir ganz bestimmt nicht nochmal machen. Jeden Freitag frisch aus dem Berliner Büro.
Was für eine Woche. Quasi über Nacht hat sich so viel Fundamentales in unserer Arbeit, unserem Alltag geändert. Selbst die von uns, die schon länger bestimmte Ideen oder Prognosen parat hatten, konnten nicht wissen, wie es sich anfühlen wird. Eine Woche liegt hinter uns, in der wir teilweise mehr über uns gelernt haben, als wir verarbeiten können.
Unsere Organisation arbeitet mit Systemischem Agile Coaching. Da war uns vorher auch schon klar, jetzt haben wir dann am eigenen Körper gemerkt, was das für unser Sein und Handeln bedeutet. Unser vom Agilen Denken geprägtes Mindset hat sofort angefangen, individuell und situativ bedingte Lösungen und die Wege dahin zusammenzutragen. Wie auch sonst in unserem Joballtag haben wir ein Problem festgestellt und unsere Erfahrungen und Vorstellungskraft nach möglichen Strategien abgesucht. Gleichzeitig sind wir genauso Systemische Coaches und Fans der systemischen Zurückhaltung. Also beobachten wir viel, hinterfragen die Zielzustände und ihre Bedingungen und brauchen dafür die Kompetenz, die schwer fällt in Zeiten von Krisen: Geduld. Und Mut. Denn gerade in unsicheren Situationen fühlt sich ein Perspektivwechsel, der ja immer ein Blick ins Unbekannte bedeutet, zunächst immer an wie ein Sprung vom Zehnmeterbrett.
In der gemeinsamen Wertearbeit und unseren Reflektionen zur gemeinsamen Entscheidungsfindung haben wir festgestellt, dass wir als selbstorganisiertes Team lieber beherzte Entscheidungen treffen und diese hinterher reflektieren als zu lange nicht zu handeln.
Jetzt, mit COVID-19, der Isolation und Ungewissheit, spüren wir deutlicher denn je die verschiedenen Herzen in unserer Brust. Wir sind geübt darin, schnell zu handeln und doch auf sorgfältige Beobachtung und besonnenes Hinterfragen bedacht. Das kann manchmal ganz schön unruhig machen. Sonst, wenn’s mal ungemütlich wird, sagen wir ja auch immer, dass man arbeiten muss mit dem, was da ist. Und dass das oft schon eine ganze Menge ist. Also versuchen wir derzeit, wie gewohnt ressourcenorientiert vorzugehen und die Organisationen, die wir begleiten bei ebendem zu unterstützen. Auch wenn die Situation neu ist, die Haltung bleibt die gleiche: Wir glauben an transparente Kommunikation, weitestgehend persönlichen Austausch, realistische Liefereinschätzungen, ein händelbares Backlog, Selbstverantwortung, Verbindlichkeit und vor allem Sinnhaftigkeit. Weil wir glauben, dass es einen Sinn hat. Vielleicht nicht unbedingt in dem Sinne, dass jeder Katastrophe einen positiven Zweck haben muss, aber dennoch darin, dass es hilfreiche und auch lehrreiche Handlungen in jeder Situation geben kann. Und wir wollen uns vor allem auch alle gegenseitig unterstützen, beim Einkaufen und beim Arbeiten, damit wir uns darauf freuen können, bald wieder im Büro Meetings halten so können, miteinander lachen, feiern, streiten und uns umarmen zu dürfen. Und bis dahin: Hände waschen, Skypen, Atmen nicht vergessen.
Entscheidungen herbeizuführen ist eine relevante fast tägliche Aufgabe für selbstorganisierte Teams. In unserer mehrteiligen Blogserie “Partizipativ Entscheiden” beleuchten wir verschiedene Wege, wie Teams ihre Projekte zielgerecht navigieren können. (Teil 1)
Wer schnelle Entscheidungen eines Chefs gewohnt ist, dem mag der Prozess einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zunächst zäh und vor allem unnötig vorkommen.Doch in der komplexen bis chaotischen VUCA-Welt ist es ratsam, sich nicht auf die Entscheidung aus einer Perspektive zu verlassen, sondern diese in Expertenteams zu fällen. Und auch in Teams können Entscheidungen durch geregelte Abstimmungsverfahren effizient getroffen werden. Ausschlaggebend dafür ist, für welches man sich entscheidet. Wir stellen auf unserem Blog die verschiedenen Möglichkeiten vor, um einen Überblick zu bieten und die passende Wahl treffen zu können.
Selbstorganisierte Teams stehen vor allem zu Beginn ihrer Zusammenarbeit vor der Frage, wie sie Entscheidungen treffen. Zunächst ist es für die meisten eine neue Situation innerhalb der gesetzten Commitments (z.B. von User Stories innerhalb eines Sprints) frei zu agieren und bestimmen zu können. Denn nun heißt es untereinander und miteinander entscheiden, wie man ans Ziel kommt. Das kann vor allem zur Herausforderung werden, wenn das Team cross-funktional und divers gemischt ist. Mit unterschiedlichem “Fachblick” oder Vorprägung, verbinden sich durchaus verschiedene Herangehensweisen oder Denkhaltungen, um Fragestellungen zu begegnen.
Jeder erinnert sich noch an die Wahl des Klassensprechers
Heute widmen wir uns Entscheidungen, wie sie nach dem Vorbild politischer Demokratie gekannt und nachgeahmt werden. Neben der autoritären Entscheidung von Erwachsenen ist die Mehrheitsentscheidung wohl eines der ersten partizipatorischen Entscheidungsverfahren, die wir als Kinder kennenlernen. Stehen mehrere Kandidaten zu Auswahl, schreibe ich meinen Favoriten auf den Zettel oder stimme per Handzeichen dafür ab. Wie etwa bei der Wahl zum Klassensprecher.
“Wer ist für Sabine? Wer ist für Klaus? Wer ist für Hannelore?” könnte in einem Scrum-Team heißen: “Wer ist dafür, dass Tasks nur alleine bearbeitet werden sollen? Wer ist dafür, dass Tasks maximal zu zweit bearbeitet werden sollen? Wer ist dafür, dass Tasks von x‑beliebig vielen bearbeitet werden dürfen?” Der oder die Kandidat/in bzw. die Option mit den meisten Stimmen bekommt die Zusage. Bei Gleichstand entscheidet das Los oder es gibt eine Stichwahl. In fortgeschritteneren Verfahren stimme ich jedem Vorschlag aktiv zu, lehne ihn ab oder enthalte mich.
Nur muss klar sein, was “die Mehrheit” bedeutet. Denn davon gibt es unterschiedliche Varianten, mindestens vier, die wir an einem Beispiel vermitteln. Gehen wir davon aus, wir arbeiten in einem Team mit acht Personen.
“Tasks nur alleine bearbeiten” bekommt in der Abstimmung 2 Stimmen
“Tasks dürfen zu zweit bearbeitet werden” 3 Stimmen.
2 KollegInnen stimmen dafür, dass die “Arbeit mit mehreren Personen an einem Task möglich” sein soll und
eine Person enthält sich.
Bei der Festlegung auf eine relative Mehrheit, macht “Tasks zu zweit zu bearbeiten” das Rennen. Bei dieser Variante kann leicht eine Mehrheit erlangt werden. Wir können gleichzeitig feststellen, dass fünf KollegInnen und damit die Hälfte des Teams eigentlich anderer Meinung waren. Daher ist der Gedanke eine Mehrheit erlangt zu haben relativ. Wie sie mit dem Ergebnis wohl umgehen?
Für die einfache Mehrheit hättedie Option “Tasks dürfen zu zweit bearbeiten” mehr Zustimmung, gebraucht als die beiden anderen Optionen zusammen. Um sich in der Gruppe durchzusetzen, wären das zum Beispiel vier Stimmen gegenüber zwei und einer Stimme der jeweils anderen Optionen (bei einer Enthaltung). Diese Variante benötigt also bereits etwas mehr Substanz in der Grundgesamtheit.
Wem die Tragfähigkeit der Entscheidung durch eine stabile Mehrheit im Team noch wichtiger ist, sollte auf die absolute Mehrheit setzen: Dafür bräuchte “Tasks zu zweit zu bearbeiten” 50%+ 1 Stimme, also mindestens fünf Stimmen, um sich durchzusetzen.
Bei einer qualifizierten Mehrheit soll für ein vorher festgelegter Anteil erreicht werden. Das könnten z.B. 75% sein, die sich für die finale Option aussprechen. In unserem Beispiel müssten dann sechs von acht Personen sich für den Vorschlag aussprechen. Eine Extremform der qualifizierten Mehrheit ist das Einstimmigkeitsprinzip, bei dem 100%, also das ganze Team, zustimmen müssen.
Was sind die Klippen in der Praxis und wie begegnet man ihnen?
Je mehr Enthaltungen es gibt, desto mehr verwässert das Commitment des Teams hinter der Entscheidung, denn sie werden zumeist nicht in die Grundgesamtheit einbezogen. Enthalten sich beispielsweise vier Personen der Abstimmung, bilden drei Fürsprecher bereits eine absolute Mehrheit. Ebenso wie bei der einfachen Mehrheit besteht das Risiko, dass nicht alle hinter der Entscheidung stehen, wie es zunächst durch eine schnell errungene Abstimmung scheint. Das wird vor allem dann deutlich, wenn es um die Umsetzung der Entscheidung geht und Personen, die dagegen gestimmt oder sich enthalten haben, sich nicht für die Einhaltung verantwortlich fühlen.
Aufgabe eines Scrum Masters oder Agile Coach kann es sein, zu beobachten und zu erfragen, ob vor allem hinter wiederholten Enthaltungen Ängste oder Stimmungen wie Gleichgültigkeit und Verdrossenheit stecken und was das für Auswirkungen haben kann. Weiterhin kann er oder sie dafür sorgen, dass Einwände besprochen und vor einer Abstimmung gehört werden, um die Entscheidungsqualität zu fördern.
Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip werden von Teams manchmal als träge empfunden, auch wenn sie einfach zu handhaben und schnell umsetzbar sind. Welche anderen Entscheidungsverfahren es gibt, die stärker auf die Tragfähigkeit der Gruppe oder ihre Effizienz setzen, stellen wir in den kommenden Wochen in unserem Blog vor.
Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.
Notwendige Cookies
Notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.
Wenn du diesen Cookie deaktivierst, können wir die Einstellungen nicht speichern. Dies bedeutet, dass du jedes Mal, wenn du diese Website besuchst, die Cookies erneut aktivieren oder deaktivieren musst.