Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir verges­sen haben – und was wir ganz bestimmt nicht noch­mal machen. Jeden Frei­tag frisch aus dem Berli­ner Büro (und derzeit aus dem Homeoffice)

Knoten­an­ek­do­ten — Die Frei­tags­ko­lumne vom Netz­werk­kno­ten. Grafik: Karl Bredemeyer

Kennt ihr diese Menschen, die rich­tig gute Ratschläge geben? Die, die wir anru­fen, wenn wir nicht mehr weiter­wis­sen und die dann safe eine Lösung auf der Platte haben? Viele von uns kennen so jeman­den. Das kann der beste Freund aus Schul­zei­ten sein, die Mutter, eine Mento­rin, wer auch immer. Es hilft, wenn diese Person(en) die Welt und uns ein wenig kennen. Übri­gens, liebe*r Leser*in, Du bist vermut­lich genau diese Person. Für irgendjemanden. 

Jetzt wird ein nicht unbe­deu­ten­der Anteil derer, die das lesen, stolz zustim­mend und selbst­iro­nisch abwer­tend in sich hinein brum­meln und nicken und denken, dass man den ande­ren gern die besten Ratschläge gibt und sie selbst dann nicht befolgt. Ja, so ist das auch oft. 

Wie kommt’s? Scheint so eine Art Natur­ge­setz zu sein. Wie alles, das einfach so gege­ben scheint, lohnt sich auch hier der zweite Blick darauf. Denn eigent­lich kennen wir als erwach­sene Menschen auch die Welt und uns selbst ein wenig, ebenso wie die Perso­nen, die uns sonst in wich­ti­gen Fragen bera­ten. Beste Voraus­set­zun­gen also.

Warum wir die eige­nen Tipps befol­gen müssen

Hier helfen zwei Ansätze. Der erste ist bekannt aus dem Syste­mi­schen Coaching: Der Perspek­tiv­wech­sel. Andere Menschen blicken aus einem ande­ren Blick­win­kel auf uns und die Welt und nehmen deshalb auch andere Möglich­kei­ten wahr. Darüber spre­chen wir oft und gerne, unter ande­rem auch in unse­rer Ausbil­dung zum Syste­mi­schen Agile Coach. Der Perspek­tiv­wech­sel ist eine Kompe­tenz, die wir erler­nen und trai­nie­ren können. In Bezug auf andere und auf uns selbst.

Der zweite wich­tige Faktor hier ist die Zensur. Meis­tens greift die Selbst­zen­sur wesent­lich erbar­mungs­lo­ser bei den eige­nen Gedan­ken. Wir hören in eini­gen Fällen sehr viel bereit­wil­li­ger auf andere Menschen als auf uns selbst. Selbst wenn wir in bestimm­ten Berei­chen sehr erfah­ren sind. Das hat weni­ger mit dem Inhalt des jewei­li­gen Wissens- oder Kompe­tenz­be­reichs zu tun, sondern viel mehr mit der Haltung. 

Gestern Abend haben wir wieder das remote Meetup How To Talk ausge­ri­chet. Der Person, die das Konzept entwi­ckelt und das Sprach­trai­ning gehal­ten hat, fiel hinter­her auf, dass sie im Vergleich zu sonst beson­ders ruhig und entspannt spre­chen konnte. Und dass sie vorher brav genau die Ratschläge selbst befolgt hatte, die sie später den Teil­neh­men­den ans Herz legte. Heißt in diesem Fall: Atmung, Körper­ar­beit, sich in die eigene Stimme hinein­zu­brum­men. (Eine Spezi­fi­zie­rung des Brum­mens gibt’s im nächs­ten Meetup.) Viel­leicht ist euch bereits klar, dass es sich hier­bei um den Menschen handelt, der auch diese Kolumne schreibt. 

Die Sache mit dem Ernstnehmen

Deshalb, first hand infor­ma­tion: Hört. Auf. Eure. Eige­nen. Ratschläge. Auch und gerade, wenn ihr Expert*innen in einem Bereich seid. Hört nicht auf zu lernen, nur weil ihr etwas schon könnt. Das ist eine Form von Respekt vor den ande­ren, vor den eige­nen Inhal­ten und vor sich selbst. Wir können nicht erwar­ten, dass andere Menschen unsere Inhalte ernst nehmen, wenn wir es selbst nicht tun. Wir wissen das. Und verges­sen es trotz­dem so oft.

Viel­leicht hilft ein schmerz­haf­ter Vergleich aus dem Alltag: Egal, ob wir seit 15 Jahren joggen gehen oder seit gestern: Wir scha­den uns, wenn wir uns nicht vernünf­tig aufwär­men. (Anm. des Knies der Verfas­se­rin.)