Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir verges­sen haben – und was wir ganz bestimmt nicht noch­mal machen. Jeden Frei­tag frisch aus dem Berli­ner Büro (und derzeit aus dem Homeoffice)

Erin­nert sich eigent­lich jemand an den letz­ten Tag, an dem alles “normal” war? Also, den letz­ten rich­tig gewöhn­li­chen Tag vor Home­of­fice, Kurz­ar­beit und Unruhe im Bauch? Dieser Tag, der vermut­lich grob über den Daumen ein halbes Jahr her sein müsste? Nee? Wir auch nicht. Weil wir Norma­li­tät eben nicht bemer­ken, sonst wäre sie nicht normal.

Auch die Sehn­sucht nach “Norma­li­tät” ist sehr inter­es­sant, da sie sich auf einen Zustand bezieht, den wir vermut­lich gar nicht wahr­neh­men würden, sobald er dann einträte. Heißt: Der Moment des Aufat­mens, wenn Dinge wieder anders sind, ist noch lange keine Norma­li­tät. Denn die ist, wie schon beschrie­ben, unsicht­bar. Solange ein Zustand, eine Person, eine Tätig­keit in irgend­ei­ner Form markiert sind, werden sie bemerkt und gelten nicht als normal. Wir bemer­ken die Farbe von Spaghetti erst bewusst, wenn sie auf einmal zum Beispiel hell­blau wären. Sonst ist eben alles normal und wir denken nicht: “Oh, diese norma­len gelb-beigen Schnüre”, sondern wir denken zum Beispiel “Spaghetti, geil!” 

Nicht geschimpft ist nicht genug gelobt

Jetzt soll es weder darum gehen, Norma­li­tät als das kost­barste Gut über­haupt zu stili­sie­ren noch darum, den Wunsch danach als fest­ge­fah­ren zu belä­cheln. Viel­mehr lohnt es sich, genau diese unsicht­ba­ren Kompo­nen­ten zu beschrei­ben, nach denen man sich eben sehnt. Spoi­ler Alert: Wenn alles wirk­lich wieder komplett “normal” ist, haben wir nichts davon, weil wir’s nicht mal bemer­ken. Wir bemer­ken ja derzeit auch vieles nicht mehr bewusst, was wir vor eini­gen Mona­ten hyper­prä­sent vor Augen hatten. Die Klebe­strei­fen auf den Böden vor Super­markt­kas­sen zum Beispiel. 

Teams oder Perso­nen, die etwas verän­dern und errei­chen wollen, können sich zum Beispiel die Frage stel­len, was sie gerne norma­li­sie­ren möch­ten, sodass es gar nicht bemerk­bar ist. Wir können Rituale etablie­ren, die eine bewusste Regel­mä­ßig­keit in Verän­de­rungs­pro­zesse einschrei­ben. Ein weite­rer Baustein in der Frage nach Norma­li­tät ist das Feed­back. Ist es normal, wenn einfach alles passt und man bemerkt eben nur das, was nicht läuft? Frei nach der süddeut­schen Weis­heit “Nicht geschimpft ist genug gelobt”? Moti­vie­rend ist das jeden­falls nicht. Sowohl in Bezug auf andere als auch auf uns selbst tun wir ganz gut daran, auch “Norma­les” anzu­spre­chen, wenn wir es gut finden. Heißt: Nur weil Kollege*in X sehr oft frei­wil­lig das Proto­koll schreibt, ist das viel­leicht normal, aber nicht selbst­ver­ständ­lich. (An dieser Stelle Shou­tout an die Kolle­gin, die weiß, dass sie gemeint ist!)