Was wir gelernt, worüber wir gelacht und was wir verges­sen haben – und was wir ganz bestimmt nicht noch­mal machen. Jeden Frei­tag frisch aus dem Berli­ner Büro.

Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist dein Gesicht, wenn du mir zuhörst. Während man sich selbst reden hört, sieht man sich dabei nicht. Klingt trivial, ist aber sehr inter­es­sant, wenn man bedenkt, dass bei einem Gespräch face-to-face beim Gegen­über sowohl die Augen als auch die Ohren glei­cher­ma­ßen arbeiten.

Am Tele­fon oder im (video­freien) Team­call ist es wesent­lich schwie­ri­ger, zu iden­ti­fi­zie­ren, ob jemand zuhört. Und wie. So gibt es zum Beispiel Modelle, laut denen domi­nante Perso­nen ihr Gegen­über beim Spre­chen anse­hen und beim Zuhö­ren nicht. Ein weite­rer wich­ti­ger Bestand­teil in vis-à-vis Gesprä­chen ist außer­dem ein Phäno­men, das die Psycho­lo­gie Mimi­kry nennt – also wenn wir andere Menschen unbe­wusst und auto­ma­tisch nach­ah­men. Dazu gehört verbale, emotio­nale und verhal­tens­be­zo­gene Nach­ah­mung und die Mimi­kry von Gesichts­aus­drü­cken. Viele Menschen kennen zum Beispiel den Mecha­nis­mus, im Gespräch die Gestik, bestimmte Wörter oder sogar Dialekte der ande­ren Person zu übernehmen. 

Der auto­ma­ti­sche Perspektivwechsel

Wenn wir bewusst zuhö­ren, verset­zen wir uns in andere hinein, wech­seln fast auto­ma­tisch unsere Perspek­tive. Hören wir dann auch noch mit dem soge­nann­ten Du-Ohr zu statt mit dem Ich-Ohr, lassen wir den Blick und die Rele­vanz der Sache für den oder die andere auf uns wirken statt selbst­re­fe­ren­zi­ell und erwar­tungs­ge­steu­ert zuzuhören. 

Dieses ganz­heit­li­che Zuhö­ren ist nicht nur deshalb hilf­reich, weil sich der oder die Spre­chende wohl und gehört fühlt, sondern redu­ziert auch dras­tisch die Gefahr von Konflik­ten und Miss­ver­ständ­nis­sen. Nicht umsonst beto­nen wir als Bera­tende immer den Teil des agilen Mani­fests, Themen nicht im Team­chat, sondern persön­lich zu bespre­chen, wenn es irgend­wie geht. Und wenn nicht, die Video­ka­mera einzuschalten.

Einfach ausge­drückt: Die Schwie­rig­keit, zwischen den Zeilen zu lesen, fällt weg, wenn es keine Zeilen gibt, sondern gespro­chene Worte. Selbst­ver­ständ­lich tragen auch die einen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum mit sich. Gleich­zei­tig unter­schät­zen viele Menschen, wie gut sie eigent­lich daran sind, Fein­hei­ten und nonver­bale Signale zu deuten. Die meis­ten Fehl­ein­schät­zun­gen entste­hen eher aus Situa­tio­nen, die nicht erwar­tungs­kon­form ablau­fen und deshalb ratio­nal umge­deu­tet werden. 

Ein riesi­ger Vorteil, mit dem ganzen Körper zuzu­hö­ren und zu spre­chen, sind die Ressour­cen, die entste­hen, wenn unser komplet­ter Orga­nis­mus mitar­bei­tet und somit eine Entlas­tung der rein kogni­ti­ven Kapa­zi­tä­ten. Ein Lächeln können wir nämlich wesent­lich akku­ra­ter inter­pre­tie­ren als ein Emoji.