Am 27. Juli ist die Netz­werk­kno­ten Unter­neh­mens­be­ra­tung zwei Jahre alt gewor­den. In den folgen­den Zeilen schreibe ich, genau wie vor einem Jahr, über die Erfah­run­gen, die ich in dieser Zeit sammeln konnte und unter­nehme den Versuch, Empfeh­lun­gen daraus abzuleiten.

1. Be reali­stic. Plan for a miracle.

Ein Bild mit eben jenem Spruch ziert seit unse­rem Einzug unser Büro und sorgte bisher stets für ein amüsier­tes und aner­ken­nen­des Lächeln. Wieviel Wahr­heit darin steckt durfte neben uns noch der Groß­teil der Welt­wirt­schaft kürz­lich erfahren.

Das Wunder, bisher wohl über­wie­gend posi­tiv besetzt, ereilte uns in Form einer groß­flä­chi­gen Pande­mie und brachte sämt­li­che Planun­gen für das aktu­elle Jahr schlag­ar­tig zum erlie­gen. Sicher geglaubte Mandate wurden auf Eis gelegt, neue Anfra­gen blie­ben mona­te­lang komplett aus. Die Welt agiler Bera­tung ist, zumin­dest aus meiner persön­li­chen Wahr­neh­mung, für einen Moment beinahe voll­stän­dig erstarrt.

Was tun? Realis­tisch sein und für das nächste Wunder planen! Auch außer­zy­kli­sche Konjunk­tur­ein­brü­che sind zeit­lich begrenzt und Wohl dem, der am Ende eines solchen Tals nicht zu lange braucht, den Kopf wieder aus dem Sand zu ziehen.

So haben wir die Zeit genutzt und uns den sonst eher stief­müt­ter­lich behan­del­ten inter­nen Projek­ten gewid­met — vom Onboar­ding neuer Kolle­gIn­nen bis hin zum Ange­bots­pro­zess für unsere Kunden, so dass wir uns nun für eine Entspan­nung der Situa­tion und stei­gende Anzahl von Anfra­gen gut gewapp­net fühlen.

Es ist uns in diesem Fall etwas schwe­rer gefal­len als üblich, doch auch hier konn­ten wir “das Gute am Problem” finden und die Situa­tion für uns nutzen.

2. Sich nicht persön­lich zu tref­fen ist für eine erstaun­lich lange Zeit voll­kom­men okay.

Von allen Begleit­um­stän­den des Corona-Ausbruchs, hat mich die fehlende Möglich­keit, sich persön­lich im Büro zu tref­fen und zusam­men zu arbei­ten, am stärks­ten irri­tiert, stellte sie nicht nur mein persön­li­ches Kontakt­be­dürf­nis, sondern gleich noch das gesamte Geschäfts­mo­dell der agilen Bera­tung auf den Kopf!

Nun habe ich ja im vergan­ge­nen Jahr schon geschrie­ben, dass ich mich nicht zum Lager der abso­lu­ten Verfech­ter der Co-Loca­tion zähle, allein weil es einfach nicht in jedem Kontext möglich ist, sich ein Büro im glei­chen Gebäude oder der glei­chen Stadt zu teilen. Gleich­zei­tig habe ich, stellte man mich vor die Wahl, den persön­li­chen Kontakt ausnahms­los dem Video Call vorgezogen.

Diese Einstel­lung hat sich geän­dert. Nicht weil ich den persön­li­chen Kontakt nicht mehr so schätze wie noch vor einem Jahr. Viel­mehr haben sich die Möglich­kei­ten der verteil­ten Arbeit so rasant weiter­ent­wi­ckelt, dass es fast igno­rant wäre, das nicht anzu­er­ken­nen. Abstim­mun­gen, Break Out Sessi­ons, optisch anspre­chende und nutzer­freund­li­che digi­tale Boards und nicht zuletzt die deut­lich bessere Audio- und Video­qua­li­tät haben dazu beigetra­gen, dass ich häufi­ger hinter­frage, ob ein persön­li­ches Tref­fen das Ergeb­nis der geplan­ten Session so posi­tiv beein­flusst, dass sich der zeit­li­che Aufwand einer Fahrt ins Büro oder zum Kunden verhält­nis­mä­ßig ist.

Im Ergeb­nis haben wir in der Arbeit mit den Kunden und auch im Rahmen unse­rer inter­nen Tref­fen fest­ge­stellt, dass sowohl die Konzen­tra­tion als auch das Einhal­ten der gesetz­ten Time­bo­xes in den Video Calls deut­lich gestei­gert wurde. Voraus­set­zung ist, dass vorab hinrei­chend längere Pausen verein­bart werden, in denen der Blick auch mal vom Rech­ner abge­wen­det werden kann.

3. Wenn deine Kunden deine Mitar­bei­ter abwer­ben, hast du etwas rich­tig gemacht!

Die hohe Fluk­tua­tion in der Bera­tungs­bran­che gehört zu den Fakto­ren, die einem die Entschei­dung, selbst eine Bera­tung zu grün­den, nicht leich­ter machen. Insbe­son­dere der gern voll­zo­gene Wech­sel zum Kunden wirft häufig die Frage auf, ob sich denn eine Inves­ti­tion in Onboar­ding, Ausbil­dung und Arbeits­ma­te­ria­lien über­haupt lohnt, wenn sich die Kolle­gin oder der Kollege nach zwei Jahren sowieso wieder verab­schie­det und man den Kunden auch noch die Ausbil­dung der neuen Mitar­bei­ter bezahlt hat. Doch das ist zu kurz gedacht, da es nicht nur die Repu­ta­ti­ons­ef­fekte so eines Wech­sels über­sieht, sondern auch Augen­höhe zwischen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer vermis­sen lässt.

Eine nun ehema­lige Kolle­gin hat uns im Juni mitge­teilt, dass sie gerne wech­seln möchte. Sie hat von dem Kunden, den sie ein Jahr beglei­tet hat, ein Ange­bot für eine Posi­tion erhal­ten, die ihrer persön­li­chen Vorstel­lung eines nächs­ten Schrit­tes am ehes­ten entspricht.

Nun hätten wir uns darüber ärgern können, dass sie nicht mehr bei uns blei­ben möchte. Statt­des­sen haben wir uns darüber gefreut, dass wir einen Teil ihres Weges mitge­hen konn­ten und offen­bar ein so gutes Händ­chen hatten, dass unser Kunde sie auch sehr gerne bei sich anstel­len wollte.

Zwar haben wir einen Teil ihrer Aus- oder Weiter­bil­dung finan­ziert und der Kunde kann nun davon profi­tie­ren. Gleich­zei­tig haben wir zum einen auch von ihren Erfah­run­gen und ihrer Persön­lich­keit profi­tiert und darüber hinaus von unse­rem Kunden eine entspre­chende Vergü­tung für ihren Einsatz erhal­ten. Ein solches Argu­ment hält demnach in meinen Augen keiner länge­ren Diskus­sion stand.

Dass wir im Guten ausein­an­der­ge­gan­gen sind, erhöht außer­dem die Wahr­schein­lich­keit, dass sie auch in ihren zukünf­ti­gen Statio­nen an uns denken und uns weiter­emp­feh­len wird.

4. Es funk­tio­niert auch ohne mich.

Ende des vergan­ge­nen Jahres habe ich mein bisher längs­tes Projekt und damit einen sehr treuen Kunden nach etwas mehr als zwei Jahren in die Hände meines Kolle­gen Vincent gegeben.

Was sich in den Mona­ten vor der Über­gabe noch anfühlte, als sei es undenk­bar, weil weder der Kunde mich gehen lassen, noch ich die Verant­wor­tung abge­ben würde, entpuppte sich als Gewinn für beide Seiten: Unser Kunde bekam nicht nur ein neues Gesicht und damit auch neue Impulse, sondern auch die Gewiss­heit, dass wir in einer solchen Über­ga­be­si­tua­tion quali­ta­tiv und mensch­lich für Konti­nui­tät sorgen können.

Auf der ande­ren Seite hatte ich nun endlich die Gele­gen­heit, den Fokus etwas mehr nach innen, also in unsere Firma, zu rich­ten. Darüber hinaus hatte ich die Chance, mich auf die anste­hende Geburt meines Sohnes vorzu­be­rei­ten und zu freuen.

Im Anschluss an die Geburt habe ich mich Anfang Februar neben den Kunden­pro­jek­ten auch aus aus der opera­ti­ven Geschäfts­füh­rung zurück­ge­zo­gen, um Zeit mit meiner Fami­lie verbrin­gen zu können. Da ich die Arbeit für und mit dem Netz­werk­kno­ten sehr sehr gerne mache ist es mir beson­ders schwer gefal­len, mich komplett raus­zu­neh­men und gleich­zei­tig gab es keinen Grund, mich in Dinge einzu­mi­schen, die auch ohne mein Zutun die gewünsch­ten Ergeb­nisse hervor­brin­gen würden. Ein wich­ti­ger Bestand­teil hier­für waren und sind die OKRs.

5. OKRs wirken. Auch während einer Pandemie.

Wir haben die Arbeit mit OKRs im Früh­jahr 2019 begon­nen und in der Zwischen­zeit ein paar Schlei­fen gedreht.
Ohne an dieser Stelle im Detail auf OKRs als Manage­ment Methode einge­hen zu wollen, möchte ich vor allem drei Dinge herausstellen: 

1. Führung über moti­vie­rende Ziele (Objec­ti­ves) macht viel mehr Spaß und ist, nach meiner Erfah­rung, auch deut­lich wirk­sa­mer, als das Vorkauen und Über­prü­fen von klein­tei­li­gen Leistungsindikatoren. 

2. Wenn die Objec­ti­ves reso­nie­ren, über­schla­gen sich die Kolle­gin­nen und Kolle­gen mit denk­ba­ren Key Results. Der einzige Nach­teil hier­bei ist, dass diese lange Liste noch einmal einge­dampft und prio­ri­siert werden muss. 

3. Die regel­mä­ßige Refle­xion der Key Results braucht und verdient deut­lich mehr Zeit, als zunächst angenommen.

Inter­es­san­ter­weise haben die Objec­ti­ves auch während des Corona Ausbruchs nicht an Gültig­keit oder Moti­va­ti­ons­kraft verlo­ren, wenn­gleich die Erreich­bar­keit natür­lich in Mitlei­den­schaft gezo­gen wurde. Daher ist es umso wich­ti­ger, bei den Objec­ti­ves so gut es geht beim “wofür?” zu blei­ben, um im Falle sich ändern­der Markt­be­din­gun­gen nicht stän­dig ganz von vorne anfan­gen zu müssen.

Ich bin — mal wieder — gespannt darauf, was das kommende Jahr für uns bereit­hält und freue mich darauf, über­rascht zu werden:)