(Teil 2) … Wer bin ich im Konflikt? Was sind typi­sche Verhal­tens- und Sprach­mus­ter von mir in einem Konflikt? Wie reagie­ren Menschen typi­scher­weise darauf? Wie geht es mir danach? Welche Konflikte gehe ich ein? Vor welchen laufe ich eher weg? Wann gehe ich an die Decke? Wann schotte ich mich ab? Mit wem streite ich und mit wem nicht (Podcast­folge)? Welche Konflikte sind in meiner Orga­ni­sa­tion will­kom­men und welche nicht? Wer ist oftmals daran betei­ligt und wer nie? Wie baut sich ein Konflikt dort auf und wie verhal­ten sich die Menschen um ihn herum?

Um auf diese Fragen Antwor­ten zu bekom­men, gilt es, sich Zeit zu nehmen, zu beob­ach­ten und zu spüren, um mit diesen Erkennt­nis­sen wieder ins Gespräch zu gehen. Erst das Zurück­ge­hen und mit Abstand auf den Konflikt blicken oder das viel näher Range­hen und wirk­lich Eintau­chen in den diffu­sen Nebel, macht einen Unterschied. 

Bei Konflik­ten in Form einer Stra­te­gie sind die Menschen bereit­wil­li­ger, diesen Aufwand und die Arbeit zu betrei­ben. Wie können Konflikte also ihr Image aufpo­lie­ren? Und was können sie noch von Stra­te­gien lernen?

Jetzt wird’s endlich konkret und greif­bar. Wir nutzen hier­für drei Hypo­the­sen, die wir der Stra­te­gie in Unter­schei­dung zu Konflik­ten zuschrei­ben, und schauen anhand dieser nach mögli­chen Antworten.

Hypo­these 1

Hypo­these 1 — Stra­te­gie­pro­zesse haben einen Anfangs­punkt und einen zeit­li­chen Rahmen und sind damit gefühlt überschaubarer.

Konflikte haben keinen bzw. wenn man die Betei­lig­ten unab­hän­gig vonein­an­der befragt wahr­schein­lich unter­schied­li­che Anfangs­punkte. Sie sind auch manch­mal aktiv und sicht­bar und manch­mal schwe­len sie weiter im Unter­grund und können somit Jahre an Dyna­mik und Fahrt gewin­nen. Das macht sie unbe­re­chen­bar und zusätz­lich anstrengend.

Konflikt­mo­delle wie Resto­ra­tive Circles oder Media­tion geben mit einem Rahmen eine Form von Sicher­heit für die Konflikt­be­tei­lig­ten und schen­ken auch eine zeit­li­che Orien­tie­rung. Beide Formate verspre­chen keine inhalt­li­che „Been­di­gung des Konflikts“ oder „Hand in Hand gemein­sam in den Sonnen­un­ter­gang“. Sie geben in ihren Ange­bo­ten für Gesprächs­for­mate jedoch eine Sicher­heit, wenn auch „nur“ in der prozes­sua­len Dimension. 

Hypo­these 2 

Hypo­these 2 – Stra­te­gie ist nach vorne gerich­tet und lässt ein Hinzu-Gefühl entste­hen. Das setzt im besten Fall Hand­lungs­fä­hig­keit frei und lässt Menschen in Bewe­gung kommen.

Menschen in Konflik­ten hinge­gen haben meist erst­mal den großen Wunsch weg von dieser aktu­el­len Situa­tion zu kommen. Ohne gerich­tete Bewe­gung kann das oftmals nicht ausrei­chen, um wirk­lich in die Eigen­ver­ant­wor­tung zu gehen und die Entschei­dung zu tref­fen, das eigene Verhal­ten zu ändern.

Hier­für kann eine Meta-Perspek­tive sehr hilf­reich sein. 10 Schritte zurück­tre­ten und den Konflikt als Dyna­mik anschauen. Dafür können Hilfs­mit­tel wie ein Aufstel­lungs­brett geeig­net sein oder das Nutzen von Gegen­stän­den im physi­schen Raum. Was tun die Menschen im Konflikt ganz konkret jeden Tag wieder und wieder, um dieses verhär­tete Kommu­ni­ka­ti­ons­mus­ter für sich herzu­stel­len? Einmal gese­hen, kann es nicht mehr nicht gese­hen werden.

Auch ein Perspek­tiv­wech­sel in Form von unter­schied­li­chen Stüh­len oder Boden­an­kern können neue Erkennt­nisse brin­gen, die eine Idee für das Morgen entste­hen lassen können. Wich­tig hier­bei ist glaube ich, nicht zu schnell in eine wünschens­werte Zukunft zu blicken, sondern erst zu verste­hen, was das Heute so kraft­voll werden lässt. Lösungs­ori­en­tie­rung kann hier ein Trug- und Schnell­schuss sein, der ledig­lich ein Pflas­ter klebt, ohne die Diagnose und schon gar nicht die Ursa­che zu kennen.

Hypo­these 3 

Hypo­these 3 – Stra­te­gie kommt mit Macht und Einfluss. Wer hier betei­ligt und gestal­tend tätig wird, hat Aufstiegs­chan­cen in Orga­ni­sa­tio­nen – oder ist dort schon angekommen.

Wer sich hinge­gen mit Konflik­ten beschäf­tigt, wird meist als vergan­gen­heits- und nicht lösungs­ori­en­tiert genug oder als Show­stop­per ange­se­hen. Unse­rer Meinung nach liegt das oftmals daran, dass Konflikte besei­tigt werden sollen, die jedoch exis­ten­zi­ell für den Erhalt der Orga­ni­sa­tion sind. Wie oft heißt es von Seiten des Vertriebs oder Product Manage­ments, die Entwick­lung verlang­samt oder behin­dert das Voran­kom­men? Wie oft möchte man Zentra­li­sie­ren und gleich­zei­tig Geschwin­dig­keit und Entschei­dungs­ho­hei­ten in den einzel­nen Ländern behal­ten? Wie oft möchte kurz­fris­tige Gewinne und lang­fris­tige Verän­de­run­gen gleich­zei­tig umsetzen?

Allen, die das hinbe­kom­men – chapeau! Aller­dings: wer die sich ausschlie­ßen­den Gegen­sätze als solche adres­siert und noch dazu in den Raum stellt, dass diese nicht wegge­hen werden, ist natür­lich ein Spaß­ver­der­ber. Es braucht jedoch genau diese Gesprä­che und die Verhand­lun­gen über mögli­che Hand­lungs­stra­te­gien, um damit gut umge­hen zu können. Und um das herstel­len zu können, braucht es im ersten Schritt das Akzep­tie­ren von Unsi­cher­heit und mögli­cher­weise auch Unwissenheit.

Einge­ständ­nis von Unwis­sen­heit und Akzep­tanz von Unsi­cher­heit sind aktu­ell aller­dings noch keine Kompe­ten­zen, die in Manage­ment­eta­gen einge­for­dert werden. Daher wird es wohl auch der Konflikt weiter­hin schwie­rig haben, den notwen­di­gen Platz am Erwach­se­nen­tisch einneh­men zu dürfen.