“Na, bist du auch zur Digitalisierung hier? Die neueste Sau, die jetzt durchs Dorf getrieben wird?”, so fragt ein Besucher auf der Konferenz zur “Arbeit 4.0 in Sachsen” ganz provokant. Trotz der unüberhörbaren Skepsis des Kollegen wird im Verlauf der Leipziger Konferenz sehr deutlich, dass Digitalisierung so viel mehr ist als die neue Sau im Dorf.
Der Ort für die Veranstaltung ist bezeichnend: Hier im Werk 2 der Kulturfabrik Leipzig, einem für die Industrialisierung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts beispielhaften Ort, besprechen wir die nächste umfassende Veränderung der Arbeitswelt. Es wird schnell klar: der Begriff “Digitalisierung” bündelt eine Vielzahl von Aspekten, die zusammen eine umfassende gesamtgesellschaftliche Veränderung bedeuten.
Was heißt das nun aber eigentlich, Veränderung? An diesem Tag sind drei Fragen zentral: Wie verändern sich Geschäftsmodelle durch digitale Technologien? Welcher Bedarf an welchen Arbeitskräften ergibt sich daraus? Und wie gelingt es Unternehmen, geeignete Fachkräfte zu finden und weiterzuqualifizieren?
Die Bereitschaft zur Veränderung braucht ein sicheres Fundament, das in vielen Unternehmen fehlt.
Solche Fragen öffnen ein Spannungsfeld zwischen potentiellen Bedrohungen und verheißungsvollen Chancen in der neuen Arbeitswelt. Um zu verstehen wo die Unternehmen in Sachsen stehen, wurde die Studie „Arbeit 4.0 — Wie gestalten sächsische Unternehmen (gute) digitale Arbeit?“ initiiert und auf der Konferenz vorgestellt. Die Studienergebnisse zeigen, dass Prozesse häufig durch digitale Möglichkeiten verbessert werden, die Produkte aber die gleichen bleiben und es kaum echte neue, digitale Geschäftsmodelle gibt.
Folglich sind auch traditionelle Organisationsformen weiter verbreitet.Im Verlauf der Konferenz wird deutlich: Neben der betrieblichen Notwendigkeit zur Veränderung, braucht es ein gewisses Maß an Sicherheit darüber, welche Schritte gegangen werden können, um Neues auszuprobieren. Sowohl die Studienergebnisse als auch Gespräche auf der Konferenz geben einen Hinweis darauf, dass diese Sicherheit in vielen Unternehmen noch fehlt. Es scheint als fühlten sich viele Mitarbeitende und Führungskräfte von der “neuen Sau” namens Digitalisierung vor sich her gejagt.
Der agile Methodenkoffer kann einen Rahmen bieten, um auf sicherem Boden in die unbekannte Zukunft loszuziehen. Wichtig bleibt, dass sich konkrete Methoden und Rahmen, um Arbeit neu zu gestalten, an den Bedingungen der jeweiligen Organisation orientieren. Sonst wird der positive Aufbruch in neue Formen der Arbeit durch Berater-Buzzwords ohne Substanz verbaut. Auch auf der Konferenz war eine große Unsicherheit spürbar über “Scharlatane in der Beraterbranche”, wie Arbeitsminister Hubertus Heil sie nannte. An dieser Stelle ist es unsere Aufgabe als qualifizierte Berater, mit Vorurteilen über “Regel- und Hierarchiefreiheit” im agilen Kontext aufzuräumen. Denn es sind immer wieder die Fantasien über einen regelbefreiten Chaosraum, die davor zurückschrecken lassen, wirklich etwas an den Arbeitsformen zu ändern und stattdessen noch über die Home-Office Regelung zu diskutieren.
Gesetze müssen an die veränderte Lebensrealität angepasst werden
Im Spannungsfeld von Chancen und Bedrohung bewegt sich auch die Politik mit ihrer Verantwortung einen Rahmen für die „Arbeit 4.0“ zu schaffen. Diskutiert wurden hier besonders oft geforderte Veränderungen im Arbeitszeitgesetz. Wo die einen den Schutz der Arbeitnehmer beschworen, wiesen Unternehmer wie Dirk Röhrborn von Communardo darauf hin, dass das Gesetz besonders in Hinblick auf rigide Ruhezeitregelungen an die Lebensrealität der Mitarbeitenden angepasst werden muss. Auch hier können agile Rahmenbedingungen ein guter Impuls sein, um zu zeigen, wie Selbststeuerung im Team diesen Rahmen bieten kann, in dem Selbstfürsorge nicht nur geduldet, sondern im Sinne der Zielerreichung im Team sogar gefordert wird.
Wie auch die Industrialisierung vor über hundert Jahren ist auch die Digitalisierung heute weit mehr als eine Sau, die einmal durchs Dorf gejagt wird, bis sie erschöpft am Schlachthof ankommt, um dann gegessen und vergessen werden zu können. Das zeigt sich vor allem daran, dass selbst Unternehmen, die sich ihr entziehen wollen, irgendwann nachziehen müssen, weil sich die Standards verändert haben. Auch wenn bis jetzt noch mehr Frage- als Ausrufezeichen im Raum stehen, lohnt sich der Schritt aus der Komfortzone, um nicht nur nachziehen zu müssen, sondern den eigenen Weg im Wandel gestalten zu können. Veränderung bedeutet Arbeit und Aufwand und geht nicht allein. Unser Netzwerkknoten begleitet und unterstützt Unternehmen bei der Transformation und arbeitet erfahrungsgeleitet und methodisch sicher die Fragezeichen ab, auf dass am Ende Ausrufezeichen stehen bleiben und keine gehetzte Sau.