Immer höher, immer weiter, immer schnel­ler, immer mehr — nicht nur unser Alltag ist geprägt von solchen verzerr­ten Vorstel­lun­gen, sondern auch in vielen Orga­ni­sa­tio­nen, die sich der agilen Produkt­ent­wick­lung verschrie­ben haben, treffe ich oftmals auf diese Wunschvorstellungen. 

Da werden an vorhan­dene Prozesse, die eh schon teil­weise so kompli­ziert sind, dass sie eine eigene Prozess­ver­ant­wort­li­che benö­ti­gen, weitere Schlei­fen der Review oder zusätz­li­che Geneh­mi­gungs­schritte oder gar noch ein Einschub für die Spezi­al­fälle on top angehangen.

Oder, in jeder Retro­spek­tive werden alle zwei Wochen für jedes Team­mit­glied mindes­tens eine Verbes­se­rung oder Verän­de­rung oder eine Idee, was man noch alles machen und anfan­gen könnte, festgelegt.

Oder, bei der eige­nen Refle­xion steht das Defi­zit im Vorder­grund und klopft die ganze Zeit an, um uns ein schlech­tes Gefühl zu geben, was wir alles nicht können und somit noch mehr machen  müss­ten  oder neu dazu lernen sollten.

Die Regel­werke werden meist eher dicker als dünner, die vorhan­de­nen Stär­ken und Erfolge häufig mit einem schnel­len „Toll, und weiter geht’s!“ gewür­digt und, wir wissen ja, wenn wir eine Sache gelernt haben, wird das Gefühl der Zufrie­den­heit schnell wieder von dem des Ansporns auf mehr ersetzt.

Muster erken­nen

Wenn wir nun diese beschrie­be­nen Muster durch kurze Sprints, regel­mä­ßige Retro­spek­ti­ven und parti­zi­pa­tive Corpo­rate Lear­ning Circles nur noch mehr befeu­ern, anstatt ein nach­hal­ti­ges Umden­ken zu erzeu­gen, schlage ich vor: Lasst uns mal was anders machen! Lasst uns mal das Muster brechen! Lasst uns mal anfan­gen, wegzulassen!

Neue Unter­su­chun­gen bele­gen, dass wir als Menschen ein Vorein­ge­stell­tes Muster haben, auf der Suche nach Lösun­gen, Dinge hinzu­fü­gen zu wollen bevor wir einfa­chere und güns­ti­gere Ansätze in Betracht ziehen. 

Das Weglas­sen kann in vielen Momen­ten also nicht nur erleich­ternd sein und einen frischen Blick ermög­li­chen, sondern auch posi­tive wirt­schaft­li­che Aspekte haben. Meist ist es auch einfa­cher herzu­stel­len, als komplett neue Struk­tu­ren oder Verhal­tens­wei­sen zu etablieren. 

Neue Muster

Viel­leicht genügt es, an der einen oder ande­ren Stelle die folgen­den Fragen zu stel­len für eine kleine Veränderung:

  1. Welchen wünschens­wer­ten Zustand wollen wir erreichen?
  2. Was ist auf dem Weg dahin am wenigs­ten dien­lich bei den vorhan­de­nen Lösungs­stra­te­gien? Was können wir weglassen?
  3. Was benö­tigt in der unmit­tel­ba­ren Umge­bung, durch das Weglas­sen, eine Anpassung? 
  4. Und erst wenn Fragen 1 bis 3 durch­dacht und beant­wor­tet sind und dann immer noch Beden­ken da sind, erachte ich es als hilf­reich, die Frage nach dem Mehr, dem Anders und dem Zusätz­lich zu stellen.