Hoch­kom­plexe Umfel­der, sich schnell verän­dernde Kontexte und viel­schich­tige Netz­werke lassen uns oft durch den Alltag hetzen. Gerade als Agile Coach oder Organisationsentwickler*in liegt der eigent­li­che Wert der Arbeit im reflek­tier­ten Drauf­blick und dem damit einher­ge­hen­den Ermög­li­chen einer Spie­ge­lung des Systems. Doch wie kommen wir an diesen Punkt? Wir sind ja Menschen, die im System den Emotio­nen und eige­nen Inter­pre­ta­tio­nen ausge­setzt sind.

Eine Vari­ante damit umzu­ge­hen ist die Super­vi­sion oder, im konkre­ten Fall beim Netz­werk­kno­ten, die kolle­giale Bera­tung. Eine tolle Methode, um rela­tiv schnell und ohne große Ansprü­che das komplette System des Gegen­übers einse­hen zu wollen und außer­dem nicht nur dem einzel­nen Kolle­gen, sondern auch mitein­an­der eine Lern­erfah­rung zu kreieren.

Eine Größe von mindes­tens 5 Teilnehmer*innen ist nötig, wobei eine Gruppe von 5–8 Menschen opti­mal ist. Hier darf gern Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät vorhan­den sein. Alle sitzen im Stuhl­kreis und können sich sehen. Eine Person bringt ihr Anlie­gen vor und erhält 10 Minu­ten die unge­teilte Aufmerk­sam­keit der rest­li­chen Teilnehmer*innen. Ein Flip­chart und White­board in der Nähe zu haben, hilft der Coachee ihr Anlie­gen noch visu­ell zu unter­stüt­zen. Die 10 Minu­ten soll­ten konse­quent einge­hal­ten und nicht abge­kürzt werden. Möchte die Coachee nichts mehr erzäh­len, genießt man gemein­sam die Ruhe. Meist kommen nämlich nach den vorder­grün­di­gen Beschrei­bun­gen noch tiefer­lie­gende, schein­bar unschein­bare und noch nicht laut ausge­spro­chene Details zu Tage und sind meist schon eine Erkennt­nis für sich.

Im Anschluss dürfen 5 Minu­ten lang Verständ­nis­fra­gen gestellt werden. Hier sollte unbe­dingt darauf geach­tet werden, dass nicht bereits Inter­pre­ta­tio­nen, Hypo­the­sen oder rheto­ri­sche Fragen gestellt werden. Die Phase dient dazu, den Kontext besser zu verste­hen und gege­be­nen­falls Verwir­rung in der Beschrei­bung aufzu­lö­sen. Nun wird die Coachee gebe­ten, den Kreis zu verlas­sen. Sie darf sich umdre­hen, die Augen schlie­ßen oder eine beob­ach­tende Posi­tion außer­halb des Stuhl­krei­ses einneh­men. Im virtu­el­len Raum darf die Kamera ausge­schal­tet werden. Aus Erfah­rung ist es sehr hilf­reich, wenn er sich mit Stift und Zettel ausstat­tet, denn nun passiert ein biss­chen Magie im Raum. Die rest­li­che Gruppe findet sich zusam­men und darf nun 20 Minu­ten über die Coachee und ihr Anlie­gen offen spre­chen. Es sollte stark auf die eigene Spra­che und deren wohl­wol­lende und wert­schät­zende Wort­wahl geach­tet werden. Alles ist erlaubt. Es dürfen offene Fragen gestellt, Hypo­the­sen formu­liert, eigene Erfah­run­gen geteilt und Reak­tio­nen zum Gehör­ten geäu­ßert werden. Beliebte Sätze fangen wie folgt an:

  • Ich habe mir die Frage gestellt…
  • Ich könnte mir gut vorstel­len, dass…
  • Bei mir hat es das Folgende ausgelöst: …
  • Könnte es sein, dass…
  • Ich hatte etwas ähnli­ches erlebt und mir hat geholfen…
  • Ich habe verstan­den, dass…

Es sollen bewusst keine Ratschläge verteilt, sondern Annah­men und Reak­tio­nen geteilt werden. Trotz­dem kann es der Coachee manch­mal helfen, wenn die Gruppe am Ende noch etwas konkre­ter im Hand­lungs­raum wird. Daher kann diese Phase gern abge­schlos­sen werden, indem jede*r der Betei­lig­ten einen Hinweis dem Coachee gibt. „Ich an deiner Stelle würde als nächs­tes XYZ tun.“ Hier ist es wich­tig, sich kurz zu halten und nur eine Sache zu sagen.

Die Coachee wird dann wieder in den Stuhl­kreis aufge­nom­men und hat zum Schluss die Möglich­keit, ihre Eindrü­cke, Gedan­ken und Vorha­ben mit der Gruppe zu teilen. Diese Phase ist optio­nal und sollte nach Möglich­keit auf das Befin­den und die Frei­wil­lig­keit der Coachee abge­stimmt werden. In diesen 5 Minu­ten wird sehr oft von einem warmen Gefühl gespro­chen, dass es wunder­bar ist das eigene Anlie­gen so wohl­wol­lend betrach­tet zu wissen oder dass man sehr viele neue Impulse und Gedan­ken­an­stöße erhal­ten hat und dank­bar aus diesem Prozess geht. Auch für die rest­li­che Gruppe blei­ben viele posi­tive Asso­zia­tio­nen zurück, da sie sich und ihre gegen­sei­ti­gen Denk­wei­sen kennen­ge­lernt und teil­weise auch inhalt­lich neue Dinge gelernt haben.

Eine tolle Methode, die nicht viel Anlei­tung und Übung braucht. Wer Lust hat, diese mal selbst auszu­pro­bie­ren, ist herz­lich einge­la­den zu unse­rem Meetup am 28. Mai 2020.