In Gesprächen über Rollen im agilen Umfeld fallen häufig Begriffe wie Product Owner, Scrum Master oder Agile Coach. Diese Rollen sind in ihrer Funktion sinnvoll und gleichzeitig möchte ich hier insbesondere darauf aufmerksam machen, was ALL diese Rollen gemeinsam haben. Und gute Manager*innen haben diese Eigenschaften übrigens schon früh für sich erkannt.
Die Führungskraft von heute und im speziellen in agilen Umfeldern sollte in der Lage sein, je nach Situation, auf verschiedene Anforderungen der Mitarbeiter*innen, Stakeholder, usw. zu reagieren. Dies geht natürlich nur, wenn sie oder er sich über die Unterschiede bewusst ist.
Wir bezeichnen diese fünf Anteile intern gerne als Hüte. Sich verschiedene Hüte, für verschiedene Situationen vorstellen und aufsetzen zu können, hilft uns den Wechsel bildlich zu machen und damit auch leichter zu vollziehen.
Diese 5 Hüte sind:
- Coach (Mentor*in): So habe ich es gemacht. Wie würdest Du es machen?
Als Coach ermöglicht man seinem Gegenüber, neue Lösungsräume und Perspektiven zu gewissen Themen zu öffnen. Coaching ist ein co-kreativer Prozess, in dem davon ausgegangen wird, dass die Klient*in/Mitarbeiter*in die Expert*in für ihre Herausforderung und somit auch für ihre Lösung ist. Die Mentor*in bietet die eigenen Erfahrungen als mögliche Schritte zur Lösung an. Vordergründig ist allerdings die Befähigung ihrer Schützlinge zum eigenverantwortlichen Handeln — auch außerhalb der eigenen Komfortzone.
Als Coach/Mentor*in habe ich also prozessuale aber kaum inhaltliche Verantwortung.
- Moderator*in: Wie werdet ihr es machen?
Die klassische Moderator*in muss über kein fundiertes Fachwissen verfügen. Sie führt durch Meetings oder generell Veranstaltungen zu einem gewissen Thema. Sie sorgt für den strukturierten Ablauf eines Meetings, einer Brainstorming Session, Retrospektive, etc. und bietet dort, wo nötig oder angebracht ist, Übersetzung und Interpretationen an, um mögliche Unklarheiten zu verringern und das Verständnis zu erhöhen. Sie paraphrasiert also, z. B. mit “Was ich verstanden habe, ist…” / “Person X hat gerade Y beschrieben.” / “Ich höre daraus…” / “Wie kommt das bei euch an…?” / “Aus der Sicht von Person X, stellt es sich also wie folgt dar…”
Auch hier besteht lediglich prozessuale aber keine inhaltliche Verantwortung. In den folgenden Anteilen überwiegt die inhaltliche Verantwortung über die prozessuale.
- Trainer*in: So wird es gemacht!
Sie haben fundiertes Wissen in einem bestimmten Bereich und sollen oder wollen dieses Wissen weitergeben. Sie lassen Mitarbeiter*innen von ihren Erfahrungen lernen. Trainer*innen wissen, wie etwas gemacht werden muss und möchten genau dieses Wissen weitergeben und auch angewendet sehen.
- Die disziplinarische Vorgesetzte: Wer macht was?
Es wird auch in agilen Kontexten immer Aufgaben geben, die disziplinarische Tätigkeiten beinhalten. Die disziplinarische Vorgesetzte sagt, was getan werden muss, um ein gegebenes Ziel zu erreichen
- Visionär*in: Da wollen wir hin! Die Visionärin: zeigt auf „wo die Reise hingeht“. Bestenfalls formuliert die Visionärin ein Bild von der Zukunft, je nach Position entweder für ihr ganzes Unternehmen oder im Fall der z.B. Abteilungsleiterin auch für die eigene Abteilung.
Ergänzend ist zu erwähnen, dass wir als Menschen natürlich nie nur den einen Hut aufhaben können, sondern sich diese Eigenschaften zu verschiedenen Anteilen immer in uns befinden. Es hilft aber, sich über die Differenzierung bewusst zu sein und dadurch auch seinen Mitarbeiter*innen zielgerichteter begegnen zu können.
In der Praxis kann sich das Tragen verschiedener Hüte wie folgt zeigen, zwei sehr vereinfachtes Beispiel:
- Wenn eine Mitarbeiter*in auf mich zukommt und nach einer spezifischen Funktion in einer Software fragt, würde ich wahrscheinlich nicht meinen Coaching Hut aufziehen und fragen, wie lange sie denn schon Schwierigkeiten mit der Funktion hat und was sie schon alles versucht hat. Hier würden einem nur fragende Blicke begegnen und dieses Vorgehen wäre nicht zielführend. In diesem Fall geht es ganz einfach um die Vermittlung dieses spezifischen Wissens und der Hut der Trainer*in ist die richtige Wahl.
- Kommt eine Mitarbeiter*in allerdings auf mich zu und ist sich unsicher in ihrer Rolle oder wie sie mit einer schwierigen Situation umgehen soll, lohnt es sich sehr, die Mitarbeiter*in die Situation genauer beschrieben zu lassen und ihr durch die richtigen Fragen zu ihrer eigenen Lösung zu verhelfen. Gebe ich der Mitarbeiter*in hier eine Lösung vor, nehme ich ihr die Chance eigene Erfahrungen zu machen und zu wachsen.
Nochmal: Es ist also ein Irrtum, dass es im agilen Kontext keine Führung braucht oder gibt. Hier kommt es auf die Situation und die damit verbundenen Anforderungen an.
Welche Anforderungen habt ihr in euren Anteilen?