Grafik: Karl Bredemeyer

“Wenn Sie sich in einer Verhand­lungs­si­tua­tion befin­den, vermei­den Sie unbe­dingt die Worte nein, leider und aber!” versuchte Matthias Schran­ner meiner Kolle­gin Lisa und mir sowie weite­ren 50 Teil­neh­mern auf einem Verhand­lungs­se­mi­nar einzu­trich­tern. “Aber was, wenn das nicht geht” trotzte es prompt aus dem Publi­kum. “Danke, dass Sie ihre Beden­ken mit mir teilen, das Gespräch ist hier­mit beendet.”

Ich selbst war sehr dank­bar dafür, auch außer­halb meiner agilen Blub­ber­blase jeman­den zu finden, der das Wort aber genauso schwie­rig findet, wie ich. Nach ziem­lich genau fünf Jahren der stän­di­gen Selbst­re­gu­lie­rung gelingt es mir mitt­ler­weile sehr gut, das Wort zu vermei­den. Ich hatte damals an einer Weih­nachts­klau­sur meines ehema­li­gen Arbeit­ge­bers teil­ge­nom­men, deren Mode­ra­to­rin nicht aufhö­ren wollte, uns über die Destruk­ti­vi­tät dieser Vier-Buch­sta­ben-Kombo zu beleh­ren: “Wenn ihr einen Satz posi­tiv beginnt, und mit einem Aber in den zwei­ten Teil dieses Satzes star­tet, ist es so, als hättet ihr die erste Hälfte gar nicht gesagt. Sie wird komplett negiert.”

Der Klas­si­ker ist jedem bekannt:“Ich hab ja nix gegen Flücht­linge, aber…” Wer sich beim Lesen dieses Satz­an­fangs wieder­erkennt, darf übri­gens gerne das Unsub­scribe-Knöpf­chen drücken und sich auf den Seiten des Postil­lons darüber aufre­gen, dass die mal besser waren, als sie sich noch nicht über die AfD lustig gemacht haben.

Genauso häufig finden wir das Aber auch im Arbeits­kon­text. Kolle­gin A macht einen Vorschlag, Kollege B findet den prin­zi­pi­ell ganz gut, aber…Liebe Kolle­gin A, dein Vorschlag war leider nicht einmal ein Zehn­tel so gut wie der von Kollege B. Die rheto­ri­schen Fähig­kei­ten reichen immer­hin noch soweit, dem Gegen­über nicht sofort zu sagen, wie sinn­los das Gesab­bel in seinen Augen gerade war. Gleich­zei­tig ist voll­kom­men klar, dass in diesem Gespräch keiner­lei gemein­sa­mes, konstruk­ti­ves Mitein­an­der mehr statt­fin­den wird.

“Build on the ideas of others” heißt es, unter ande­rem, im Design Thin­king. Das fängt bei der Spra­che an und äußert sich vor allem darin, Dinge zum bereits Gesag­ten hinzu­zu­fü­gen, statt das Neue als das wirk­lich Wich­tige stehen­las­sen zu wollen.Wer schon einmal an Impro­vi­sa­ti­ons­thea­ter-Work­shops teil­ge­nom­men hat, kennt viel­leicht Übun­gen, in denen mehrere Menschen eine Geschichte erzäh­len sollen, ohne vorher gesagt zu bekom­men, wie sie ausgeht. Jede® redet solange, bis er oder sie von der Mode­ra­tion unter­bro­chen wird. Die einzige Regel ist, dass der, auf dem bereits gesag­ten aufbau­ende Teil mit “ja, und…” begon­nen wird. Das ist unfass­bar schwer. Und gleich­zei­tig sehr erhei­ternd und ermu­ti­gend. Merkste was?

Seit besag­ter Team­klau­sur versu­che ich also dieses kleine Wort zu vermei­den und statt­des­sen andere Worte zu finden. Das geschieht keines­wegs zum Selbst­zweck sondern ermög­licht neue Blink­win­kel während der eigene Stand­punkt trotz­dem deut­lich gemacht werden kann. “Ich finde es toll wenn Du einen Arti­kel über die Verwen­dung des Wört­chens Aber schreibst, aber einen Arti­kel über Alpa­kas finde ich viel span­nen­der.” Der vorlie­gende Arti­kel wäre in dem Fall wohl nie zustande gekom­men. “…gleich­zei­tig glaube ich, dass ein Arti­kel über Alpa­kas auch rele­vant ist” erhöht auf einen Schlag die Verhand­lungs­masse. Wir müssen uns nun nur noch darüber unter­hal­ten, welcher Arti­kel zuerst geschrie­ben wird (Hint: dieser hier).

Und wie kommt Mensch nun raus aus diesem Aber-Sumpf? All-Time Favo­rite ist die Verwen­dung von gleich­zei­tig. Findige Köpf­chen stel­len fest, dass allein dieser Text schon mehrere Gleich­zei­tigs bereit­hält. Es ermög­licht die fried­li­che Koexis­tenz mehre­rer Ideen, ohne einem die Möglich­keit zu nehmen, die eigene Meinung deut­lich zu machen.

Ein weite­res Expe­ri­ment ist die Verwen­dung des Wortes und anstelle von aber (Fort­ge­schrit­tene probie­ren gerne mal und und gleich­zei­tig gleich­zei­tig *drops microphone*)

Debat­tier-Club-Gewin­ner können nun natür­lich sagen, dass eine bloße Auswechs­lung eines Wortes durch ein ande­res noch lange nicht die Haltung des Spre­chers ändert. Ich lade an dieser Stelle zu lang­fris­ti­ge­ren Beob­ach­tungs­in­ter­val­len ein — Spra­che schafft Realität.

Der erste Schritt in ein weit­ge­hend aber-freies Leben kann sein, sich zunächst eine Weile selbst zu beob­ach­ten um fest­zu­stel­len, was die Verwen­dung von aber in den jewei­li­gen Situa­tio­nen für einen selbst und das Gegen­über für eine Bedeu­tung haben sollte und könnte. Im nächs­ten Schritt kann die Verwen­dung dann lang­sam und bewusst zurück­ge­schraubt werden.

Warum gibt es für Verhand­lungs­füh­rer eine Black­list mit Worten die nicht verwen­det werden sollen? Klar ist, dass die wenigs­ten Verhand­lungs­part­ner Strich­lis­ten in ihren Notiz­blö­cken führen und beim sieb­ten Aber den Raum verlas­sen. In Verhand­lun­gen im Grenz­be­reich, wie Matthias Schran­ner — ehema­li­ger Verhand­lungs­füh­rer bei der Poli­zei — die beson­ders brenz­li­gen Verhand­lun­gen nennt, kommt es trotz­dem auf jedes Detail an. Die Wort­wahl ist hier, neben der Körper­spra­che, das wich­tigste Indiz für die Haltung des Gegenübers.